Einige Sätze, um klar zu machen, um was es hier gehen soll:
Unsere Auszubildenden sind vor Ort, in den Pflegeeinrichtungen, in der ambulanten Versorgung von alten Menschen. Hier werden in unregelmäßigen Abständen kurze Texte, Erlebnisse und Eindrücke der Pflegekräfte veröffentlicht, um Außenstehenden einen Einblick zu gewähren. Unser Fokus liegt hier nicht auf „Gaffen“, auf reißerischen Geschichten, sondern auf realistischem Beschreiben des Lebens in Altenheimen, im ambulanten Dienst…
Im Mai: Meine lieben Heim-Bewohner halten tapfer durch, Gott sei Dank ist es nun endlich etwas gelockert, auch wenn eine Stunde nicht wirklich viel ist. Trotzdem freuen sie sich, endlich ihre Angehörigen wieder zu sehen. Alle sind sehr verständnisvoll!
Dagegen wird es daheim längst kritisch????
Kindergärten geschlossen, Mann auf Kurzarbeit, die 7te Woche daheim ????
Alles gar nicht so einfach! ???? Wollen ja beide beschäftigt werden, nebenbei muss ich noch arbeiten ???? und das Schulzeug im Homeoffice will auch gemacht werden!
Langsam wird es grenzwertig.
Meine Stifte wollen nicht mehr, mein Blättervorrat neigt sich dem Ende ???? Von meinen Patronen im Drucker wollen wir mal gar nicht sprechen ????.
Auch dieser krächzt mich an ????????.
Alle haben wohl die Nase voll und hoffen auf Normalisierung ????
Wir halten weiter durch!
Freitag, 15.05.2020: Als das anfing, mit Corona, waren alle erst einmal ängstlich und unruhig. Sowohl Mitarbeiter*innen, alsauch Bewohner*innen. Ich selbst bin da auch sehr hysterisch. Der Alltag im Heim ist sehr anstrengend, die Bewohner*innen dürfen ihre Stationen nicht verlassen und müssen in ihren Bereichen bleiben. Sie wiisen nicht so richtig, was los ist. Ich selbst leite die Dementenstation. Selbst die demenzerkrankten Menschen merken, dass da etwas nicht stimmt. Es kommt kein Besuch mehr, Ehemänner/ -frauen, keine Kinder oder Enkel. Viele sind traurig, weinen oft, denken, dass sie vergessen wurden. „Keiner kümmert sich um mich!“ So gut ich kann, versuche ich sie zu trösten, ihnen Beachtung zu schenken. Die Betreuuungskräfte versuchen mit Angeboten abzulenken. Die Bewohner*innen fragen täglich nach, wann denn ihre Angehörigen wieder kämen. Sie verstehen die ganze Situation nicht. Meine Kolleg*innen und ich versuchen, so gut es geht, es immer wieder zu erklären – aber unsere dementen Seniroen vergessen es immer wieder. Das ist richtig anstrengend, brasucht Nerven und Geduld. Bei mir Zuhause habe ich überall Händedesinfektion hingestellt, es durfte auch keiner mein Haus betreten, mein Familie war da unter sich. Selbst der Schornsteinfeger musste, unter Protest, seine Hände desinfizieren. Einkaufen fahre ich eher selten, das macht mein Mann. Meinen Jungs wird es im Haus auch langsam langweilig – ohne jeglichen Kontakt nach außen. Wir hoffen alle, dass sich die Situation bald bessert!
Donnerstag, 14.05.2020: Unterricht in Corona-Zeiten
Mittwoch, 13.05.2020: Ein Erlebnis, das mich echt sprachlos gemacht hat.. Jetzt in Corona-Zeiten ist im Pflegeheim folgendes passiert: Es war Samstagnachmitttag. Eine unserer Bewohnerinnen wollte, wie jeden Tag, nach dem Kaffee in ihr Zimmer zurück. Sie sitzt im Rollstuhl, kann sich aber alleine damit im Haus bewegen. Während sie auf dem Weg zum Fahrstuhl war, wollte sie ein auf dem Boden liegendes Taschentuch aufheben. Dabei hat sie das Gleichgewicht verloren und ist aus dem Rollstuhl gerutscht. Sie ist unglücklich gefallen und hat sich eine Platzwunde an der Stirn zugezogen. Sie blutete stark, aber sie war bei Bewusstsein.Die Fachkraft kam zum Glück gerade aus einem Bewohnerzimmer und eilte ihr sofort zu Hilfe. Sie versorgte die Wunde mit einem Druckverband und überlegte: „was mach ich denn jetzt? Es ist Samstagnachmittag, kein Arzt ist zu erreichen.“ Trotzdem hat sie es beim Hausarzt auf dem Handy probiert. Leider ohne Erfolg. Weider überlegen: „eigentlich müsste sie zum Arzt oder ins Krankenhaus. Aber jetzt mit Corona… es kommt kein fremder Arzt ins Heim und aus dem Krankenhaus darf sie ja nicht ins Heim zurück, wir haben Aufnahmestopp und auch kein Isolationszimmer… was machen wir denn jetzt? – Also der Druckverband hat geholfen, ich lass es jetzt erst einmal und kontrolliere später nochmal.“ Mittlerweilen geht es der Bewohnerin wieder gut, die Verletzung heilt. Aber im Normalfall wäre die Frau vom Arzt versorgt worden oder ambulant ins Krankenhaus gekommen, um die Wunde versorgt zu bekommen. Vielleicht wäre sie sogar geklammert oder genäht worden. Es ist das erst Mal, dass ich diese Fachkraft so hilflos erlebt habe.
Dienstag, 12.05.2020: Kurz und knapp ein paar Ereignisse in der Corona-Zeit. Viele ältere Menschen sind „verwirrt“ und wissen teilweise nicht, was los ist, auch wenn wir es ihnen erklären. Die Bewohner, die psychische Erkrankungen haben, wie eine Depression, leiden am meisten darunter. Es gibt auch kaum ein Beschäftigung für die Bewohner, , da die Betreuung nicht jeden einzelnen bespaßen kann (im positiven Sinn) Das ist traurig anzusehen, wie das soziale Leben noch eingeschränkter ist, als es vorher eh schon war. Es gab auch schon handgreifliche Geschehnisse durch unsere pflegebdürftigen Senioren. Wir als Team mussten viel an unserem Tagesablauf umgestalten, wie z.B. den Zimmerservice, den jetzt jeder Bewohner bekommt. Meiner Meinung nach haben diese ganzen Regelungen nicht wirklich Hand und Fuß, z.B. der Abstand zwischen den Mitarbeitern. Trotz alledem probieren wir, den Bewohnern eine Freude zu machen und sind so mitlerweilen auch Friseure:) Ich hoffe, dass bald wieder Normalität einkehrt.
Mittwoch, 29.04.2020: Ankündigung, dass nach und nach der Unterricht an der Schule wiede aufgenommen wird. „Wow endlich, ich freue mich sehr! Bis bald!“, Ist das Ihr Ernst? Oder ein verspäteter Aprilscherz?“, Und die, die noch warten müssen: „Ich hab echt keinen Bock auf den ganzen Mist Corona! Schule wäre mir viel lieber – mit euch und die Lehrer bringen es einfach besser rüber!“.
Sonntag, 26.04.2020: Allen Bewohnern macht zu schaffen, dass kein Frisör und keine Fußpflege mehr ins Haus kommt. Alle Termine wurden abgesagt. Und das Äußere verändert sich. Lange Fußnägel, Schmerzen der Hühneraugen und die Haare wurden lang. Für viele eine Katastrophe.
Eine Pflegeassistentin bemerkte das bedrückte Verhalten, die Trauer der Bewohner. Die sonst noch aktiven Senioren, die nur noch in Halbseitenlage in ihren Sesseln hingen, holte sie zu einem Stuhlkreis zusammen. Sie beachtete natürlich den Mindestabstand und begann mit Gedächtnistraining, las eine Geschichte vor und bot den Bewohnern eine kurze Gymnastik an. Diese waren voller Freude, es war schön zu sehen. Leider wurde es von Vorgesetzten nicht so gesehen. Die Pflegeassistentin wurde vor den Bewohnern gerügt und musste sofort mit der Beschäftigung aufhören. So etwas kann man nicht verstehen.
Samstag, 25.04.2020: Eine Bewohnerin nahm es nicht so eng mit den Corona-Vorschriften. Die Dame war und ist in der Gemeinde sehr gut sozial eingebunden. Sie hat viele Bekannte und Freunde, die sie kontaktiert und besucht. Das heißt, sie verlässtdas Heim wann immer sie will.Außerdem ist sie gläubig und geht zu Beerdigungen. Ihre EInkäufe tätigt sie nach Lust und Laune. Somit widersetzt sie sich den Vorschriften und entfernt sich vom Haus. Bei einem Plausch mit Bekannten hielt sie den Mindestabstand nicht ein und wurde von einer Polizeistreife kontrolliert. Sie wurde ins Heim zurückgebracht und verwarnt. Man erklärte ihr dann, dass sie nun 14 TAge in ihrem Zimmer bleiben müsse, sie dürfe keinen Kontakt zu anderen Bewohnern haben. Die Frau antwortete: „Ich lasse mich nicht wegsperren, dann nehme ich mir das Leben!“. Ihre Aussage wurde ernst genommen, ein bekannter Seelsorger kümmerte sich daraufhin um sie. Inzwische hat sie die Situation akzeptiert und schickt Grüße aus ihrem Zimmer an alle, die sie kennt und an alle, die noch leben. Zu mir sagte sie dann: „Sagen Sie mal, wie soll denn das gehen mit dem 1,5 m Abstand, wenn ich leise und undeutlich spreche und mein Gegenüber schlecht hört? Da rückt man doch automatisch enger zusammen, oder net!?“ Ich gab ihr recht.
Freitag, 24.04.2020: Durch die Isolation der Bewohner von ihren Angehörigen kam und kommt es zu deutlichen Verhaltensänderungen. Wir waren uns als Pflegekräfte alle einig, dass die Notfallglocke seitdem wesentlich häufiger gedrückt wird. Der Pflegeaufwand nahm zu. Da die Gruppenbeschäftigungen nicht mehr stattfinden durften, bauten die Bewohner*innen sichtlich ab. Der Tagesablauf war noch langweiliger und reizärmer. Die Bewohner*innen vermissten/ vermissen die Aktionen -die gemeinsamen Einkäufe, die Besuche, den Gottesdienst. Das Heim durfte nicht mehr verlassen werden. Es sollte sich nur noch im Garten zu einer Runde an der frischen Luft bewegt werden. Viele pflegebedürftige Senioren wussten mit der Zeit schon nicht mehr, welchen Tag wir hatten.Selbst eine fitte Bewohnerin zog nach dem Mittagessen bereits ihren Schlafanzug an, da sie dachte, es gibt heute eh nichts mehr, andere darf ich nicht treffen, also gehe ich ins Bett. Der Tagesablauf hat sich noch mehr auf Frühstück, Mittagessen, Kaffee trinken und Abendessen reduziert. Aus meiner Sicht bauten die Bewohner*innen körperlich und geistig verstärkt ab. Die Glocke läutete, weil mehr Unterstützung und Hilfe bei der Körperpflege eingefordert wurde – eigentlich wollten und wollen sie nicht alleine sein: „Schwester, mir geht es heute nicht gut. Ich fühle mich schwach.“, „Schwester, ich kann heute nichts essen.“, “ Schwester, wann kommt mein Mann wieder?“, „Schwester, schauen sie mal, ich finde meine Strümpfe nicht!“. In der Tat, die Vitalzeichen hatten sich bei fast allen verschlechtert. Natürlich veränderte sich auch das Verhalten. Einige wurden ruhig und schläfrig. Das waren die, die optimistisch an die neue Situation heran gingen und meinten, wir überstehen das schon, es muss ja weiter gehen und bis jetzt ging es immer weiter. Doch andere wurden unruhig, zum Teil auch aggressiv (ungehalten).
Was mich sehr sehr betroffen gemacht hat, war der Tod eines Bewohners. Er litt so stark unter der Situation, dass er sich ins Bett legte und sterben wollte. Er verließ sein Zimmer nicht mehr und jegliche Art von Pflege, Zuspruch, sowie Essen und Trinken lehnte er ab. Der Hausarzt verordnete Infusionen, doch diese zog er sich selbst. Als er zur Toilette wollte, stürzte er vor Schwäche. Die Fachkraft fand ihn am Boden liegend. Er verweigerte die Mitnahme, als der Notarzt kam und ihn ins Krankenhaus einliefern lassen wollte. Nicht einmal 24 Stunden später ist er dann gestorben. Dieser einsam verstorbene Mann wurde keine zwei Stunden später aus seinem Zimmer gefahren und auf die Isolierstation gebracht – herz- und würdelos verabschiedet. Traurig.
Dienstag, 21.04.2020: Ich arbeite in der ambulanten Pflege in Unterfranken und befinde mich gerade im 2. Lehrjahr der Ausbildung zum Altenpfleger, zuvor habe ich bereits in mehreren Einrichtungen als Hilfskraft gearbeitet. Auch in der Woche nach dem ersten Todesfall in Deutschland am 9. März verlief die Arbeit bei uns in der Sozialstation zunächst noch normal und ruhig. Kunden stellten zwar erste Fragen zu der Erkrankung, von Seiten der Einrichtungsleitung gab es jedoch bis auf einen Aushang mit den Hygieneempfehlungen des Robert-Koch-Instituts keine Empfehlungen, wie Kunden nun zu beraten oder mit ihnen umzugehen sei. Ich tat mein Bestes, informierte mich über das Virus und wies meine Kund*innen darauf hin, sowohl bei sich selbst als auch bei Besucher*innen auf ihre Händehygiene und Niesetiquette zu achten, außerdem beriet ich sie, gerade in dieser Zeit ihre Pneumonieprophylaxe nicht zu vernachlässigen. Gleichzeitig stufte ich das Virus jedoch noch wie ein Grippevirus ein und sagte Sätze wie: „Sie wissen ja, Winterzeit ist Virenzeit. Passen Sie also gut auf sich auf.“ Das Bewusstsein über die Gefährlichkeit dieser Erkrankung sickerte bei mir selbst, aber auch bei Kollegen und bei der Einrichtungsleitung nur langsam durch. So richtig Fahrt nahmen die Entwicklungen erst mit dem Erlass der allgemeinen Schulschließungen in Bayern am Freitag auf, welche dann ab Montag der kommenden Woche auch für uns Berufsfachschüler gelten sollte. Die für uns zuständige stellvertretende Pflegedienstleitung war zu diesem Zeitpunkt noch auf Fortbildung. Als Vertretung übernahm es unsere Qualitätsbeauftragte zunächst, die Dienstpläne zu überarbeiten: Mitarbeiter*innen mit schulpflichtigen Kindern mussten umgeplant, Überstunden möglichst abgebaut, nun ausbildungsbetriebspflichtige Schüler eingeplant, Touren vereinheitlicht werden. So langsam wurde wohl klar, dass diese Krise für die alltäglich Arbeit doch mehr einschneidende Bedeutung hatte als gedacht. Ich selbst hatte von Samstag bis Montag frei geplant, tatsächlich blieb es auch dabei. Dienstagvormittag versah ich wie geplant meinen Dienst. Am Dienstagnachmittag erfuhr ich dann wie wohl am Montag den ganzen Tag Krisengespräche der Geschäftsführung stattgefunden hatten. Stündlich gingen nun außerdem bei der Pflegedienstleitung E-Mails mit weiteren Instruktionen ein. Eilig kümmerte man sich nun um weiteres Desinfektionsmittel, Schutzkittel und Masken. Die Informationsweiterleitung fand größtenteils informell oder über Aushänge statt. Die für Donnerstag geplante Dienstbesprechung und anschließende Hygieneschulung wurden aus Zeitgründen abgesagt. Stattdessen mussten wir uns selbst in Hygiene- und Schutzmaßnahmen einlesen. An dieser Stelle hätte ich mir eine strukturiertere Informationsweitergabe gewünscht. Von Kolleginnen erfuhr ich als Erstes, dass wir jetzt bei jeder Tour Mundschutz tragen sollten. Außerdem erhielt nun jede*r Kund*in ein Schreiben, ob die Versorgung weiterhin stattfinden solle oder diese durch Angehörige sichergestellt werden könne. Autos wurden müssen nun nach Dienstende desinfiziert, Dienstkleidung täglich daheim gewaschen werden. Bei Verdacht auf CoViD19 ist Schutzkleidung zu tragen und der*die Kund*in wird möglichst am Ende der Tour versorgt. Für bestätigte Verdachtsfälle sind außerdem mittlerweile spezielle FFP2-Masken vorhanden. Zum Glück blieben jedoch bisher bei uns alle Verdachtsfälle unbestätigt. Mittlerweile hat man sich größtenteils an die zusätzlichen Schutzmaßnahmen gewöhnt. Dennoch bleibt ein mulmiges Gefühl. Während ich früher zu den Leuten kam und dachte ihnen zu helfen, denke ich heute: Vielleicht mache ich sie auch krank.
Ich hatte ne Gänsehaut, als ich sah, wie sehr sich die Bewohnerin freute. 98 Jahre alt, fit im Kopf, hat sie das erste Mal über Skype mit ihrem Sohn, der Schwiegertochter und den Enkeln telefoniert. Sie war überwältigt, dass sie ihre Angehörigen live sehen konnte. Sie saß vor dem Tablet, das Gesicht ganz nah am Bildschirm und sagte: „Könnt ihr mich a sah?“ Die Familie bejahte dies mit großer Freude.“Dös gibt´s doch goar net!“, sagte sie mit Tränen in den Augen. Ein anderer Bewohner hat das Tablet erstmal in die Hand genommen und auf die Rückseite geschaut, als er seine Familie sah. Das war sehr drollig. Auch er war überwältigt.
Montag, 20.04.2020: Alltagserlebnis bei einem Spaziergang durch die Stadt. Durch ein Fenster unterhalten sich eine alte Dame, sie sitzt drinnen, mit einer Bekannten auf dem Gehweg. Zitat: „Ach. es geht scho, ich spiel´ halt mit mir allein Mensch ärgere dich nicht!“
Dienstag, 14.04.2020: Ich bin Angehöriger. Mit dem LockDown war es von jetzt auf nachher nicht mehr möglich, seine pflegebedürftigen Angehörigen, bei mir meine Mutter, zu besuchen. Man stand vor verschlossenen Türen, und das auf unbestimmte Zeit. Telefonieren fällt meiner Mutter schwer, sie liebt das unmittelbare Gespräch, egal ob bei einer Tasse Kaffee oder beim Spazierengehen. Tapfer bestätigte sie einige Tage zuvor meiner Schwester am Telefon, dass wir da halt jetzt durch müssen. Zufriedenstellend war die Situation nicht. Den Pflegekräften kam aber eine grandiose Idee: Das Zimmer neben dem Eingang könnte als eine Art Besucherzimmer dienen, d.h. Fenster auf, Angehörige ran ans Fensterbrett und innen im Raum sitzt hinter einem Tisch Oma oder Opa, Mutter oder Vater. So kam ich am Ostermontag in den Genuss, diese neue Form der Kontaktaufnahme zu testen. Abgesehen davon, dass meine Mutter mit dem Rollstuhl natürlich sofort vor ans Fenster wollte und nicht durfte, war es ganz nett. Es ermöglichte zumindest ein kurzes Gespräch – auch wenn die Distanz schon groß war. Und als Angehöriger steht man halt im Regen – am Ostermontag vollumfänglich.
Freitag, 10.04.2020: Zur Erklärung: In der Folge kommt das Statment einer ehemaligen Auszubildenden, die jetzt aktiv in der Altenpflege tätig ist. Es geht um die Sonderzahlung, die durch Ministerpräsident Söder versprochen wurde und die teils kritischen/ neidischen Stimmen dazu.
„Ich begreif nicht, wieso sich so viele über diese Geste aufregen, als würden wir Pflegekräfte uns daran aufgeilen – gibt derzeit denk ich, wichtigeres als Geld, z.B. die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen & diese zu schützen. Wenn’s euch so stört, dann macht diesen Beruf doch einfach und regt euch nicht auf.“
Mittwoch, 08.04.2020: Abenddienst, 18.00 Uhr. Ich sehe Menschen an den Gartenzaun gelehnt und in die Straße schauen, in die ich fahren muss. Ich denke mir: „Oh, was ist da los? Warum schauen alle? Hoffentlich geht es meinen Patienten gut!“ Und dann stehen da Musikanten mit Notenständern auf der Straße. Alle lauschen der Musik. Meine Patienten erzählen mir, dass das jetzt schon die ganze Zeit so ist und alle freuen sich darauf. Ein Wir-Gefühl in dieser Zeit.
Montag, 06.04.2020: Nachtrag zum ausstehenden Covid-19-Test (siehe unten). Der Test wurde nach endlosem Warten gemacht, nach 9 Tagen kam das Ergebnis. Zur Freude aller negativ! Fast drei Wochen waren wir jetzt Zuhause, aber zum Glück, wie schon erwähnt, kein Corona.
Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit einer Bekannten, dürfte 2018 gewesen sein: Was?! Du arbeistest in der Pflege! DAs könnte ich nicht. Ist das dein Ernst? Da musst du doch alten Menschen den Arsch abputzen… Gespräch gestern: Gut, dass es solche, wie dich gibt. Die jetzt da raus gehen und sich um unsere Alten kümmern. Wir brauchen mehr wie dich! Es ist schön, dass viele Menschen ganz anders über unseren Beuf denken, über das, was wir tun. Wir werden geschätzt und das ist schön.
Idee für die Verschönerung der Pflegemasken, zaubert ein Lächeln in euer Gesicht:
Sonntag, 05.04.2020:Wir bekommen in unserem Haus sehr viel Anerkennung von Angehörigen, Bewohnern und von Menschen außerhalb. Es erreichen uns täglich Briefe von überall her an unsere Bewohner, die keine Angehörigen haben, damit auch diese eine kleine Freude bereitet bekommen. Wir haben jetzt auf Station ein Tablet mit WhatsApp, damit unsere Pflegebedürftigen ihre Angehörigen im Videochat sehen können. Ich selbst ahbe heute auf Facebook auch mal „danke“ gesagt, da es unglaublich ist, wieviel Wertschätzung und Anerkennung wir bekommen. Wir hatten heute ein Herz aus Blumen von Angehörigen in den Garten gestellt bekommen. Hier mein Dankestext:
Danke für die Anerkennung und Wertschätzung! Wir arbeiten in der Pflege, weil der Beruf wunderschön ist, es gibt gute und es gibt schlechte Tage. Aber das ist Zuhause nicht anders. Es bereichert einen jeden TAg aufs Neue, die Dankbarkeit von Bewohnern zu spüren, egal, ob es ein Lächeln, ein Kuss auf die Wange oder das Streicheln der Hand ist. Die Dankbarkeit der Angehörigen lässt auch mal ein paar Tränen rollen, wenn man gesagt bekommt: Ihr seid Helden!
Freitag, 03.04.2020: Ich hatte heute einen Vorfall bei der Arbeit. ein Klient war gestürzt. Die Tochter wollte nicht, dass der Notarzt geholt wird. Ihe Aussage: „Dann sehe ich meinen Vater nie wieder!“ Sie hat Angst, ihr Vater könnte sich im Krankenhaus mit Corona anstecken. Nur mit Mühe konnten wir sie überzeugen, dass ihr Vater notärztlich versorgt wurde.
Donnerstag, 02.04.2020: Anfangs war alles noch normal. Wir hatten uns erstmal keine Gedanken gemacht und ganz normal weitergearbeitet. Seit zwei Wochen müssen wir einen Mundschutz tragen, den wir regelmäßig wechseln, außerdem waschen und desinfizieren wir unsere Hände häufiger als zuvor. Unter den Kollegen halten wir strikt einen Sicherheitsabstand ein. Nach Gebrauch desinfizieren wir all unsere Arbeitsmaterialien – zum Eigen- und Bewohnerschutz.Während der Übergabe dürfen maximal drei Personen im Stützpunkt sein. Für die Bewohner ist es ebenfalls eine große Umstellung. Es herrscht, wie ja inzwischen bekannt, absolutes Besuchsverbot, Ausnahmefälle gibt es bei Sterbenden. Die Bewohner vermissen ihre Angehörigen sehr und wünschen sich täglich Besuch. Einige haben seit dem Vorfall ein Telefon von ihren Angehörigen bekommen, so können sie wenigstens Kontakt halten. Trotzdem fühlen sie sich einsam und alleine. Sie suchen vermehrt die Nähe der Pflegekräfte, wollen, dass immer jemand bie ihnen ist und lassen uns Pflegekräfte nur schwer los. Für uns heißt das, von jetzt an noch etwas mehr für die Bewohner da zu sein, aber trotzdem das Nötige zu tun, um uns alle zu schützen.
Naja, es ist gemischt im Team – die einen gehen besser damit um, andere tun sich schwer. Eine große Sicherheit ist schon mal, dass wir jetzt Mundschutz tragen bzw überhaupt welchen haben. Es wird noch besser: bis jetzt musste der Mundschutz sechs Tage getragen werden, nun ist doch noch Nachschub eingetroffen und wir bekommen ! für jeden Tag ! einen. Es wurden auch waschbare geliefert, die täglich im Betrieb gewaschen werden. So langsam wird´s. Auch die Klienten fühlen sich jetzt sicherer. Bis jetzt haben wir zum Glück keine Infizierten. Auch personalmäßig ist alles im grünen Bereich. Hoffentlich bleibt es so entspannt.
Mittwoch, 01.04.2020: Am Freitag, den 13. kam die Nachricht, die Schule fällt bis nach den Osterferien aus. Kurz darauf rief unsere PDL an, ich solle nach der Schule sofort in die Einrichtung kommen. Es gab/ gibt viele Krankmeldungen. Die PDL war fast froh, dass die Schule ausfällt und wir Schüler aushelfen können. Aber wir bekommen auf der Arbeit Zeit zu lernen. Unsere Bewohner sind demenzkrank, bis Mitte letzter Woche haben sie nicht viel gemerkt, obwohl die Betreuerin über Corona erzählt hat. Seit Mittwoch letzter Woche müssen wir nun den ganzen Tag einen Mundschutz tragen. Ab diesem Moment haben auch unsere Bewohner gespürt, dass etwas nicht stimmt. Sie spüren unsere Anspannung, sie sehen unsere Lächeln nicht mehr, es darf kein Besuch kommen. All das macht sie unruhig und nervös, besonders am Abend. Ich finde es trotz des ganzen Stresses im Moment gut, dass ich arbeiten und etwas Gutes tun kann. Die Ausgangsbeschränkungen sind wichtig und ich hoffe, dass diese bald Wirkung zeigen.
Dienstag, 31.03.2020: Ich bin im Moment im ambulanten Dienst unterwegs. Was mit auffällt ist, dass die Klienten unheimlich viel Zeitung lesen, Radio hören und Nachrichten anschauen. Es mach tihnen sehr viel Angst, dass sich alles nur noch um Corona dreht. Die meisten Menschen sind dankbar, weil wir als Pflegedienst jetzt wirklich ihr einziger sozialer Kontakt sind. Ein Großteil der Angehörigen hält sich an die Ausgangsbeschränkung. Sie rufen täglich an, da viele von ihnen ihre Angehörigen regelmäßig besucht haben. erst gestern erzählte eine Dame, wie sehr sie ihre Kindern, Enkel und Urenkel vermisst. Sie hat sich vor das HAus gestellt, um ihnen zuzuwinken, sie hatte Tränen in den Augen. Andere hatten polnische Hilfen, die Hals über Kopf nach Hause gefahren sind und von jetzt auf nachher stehen die Angehörigen in der Pflicht, alle Aufgaben zu meistern.Die Betroffenen sind unheimlich froh, dass wir kommen und bedanken sich ganz herzlich. Einige Klienten sprechen vom dritten Weltkrieg, sagen aber auch, dass sie auch den überleben werden. Die Menschen haben Angst und Probleme mit der Ungewissheit, wie es weitergehen wird. Also im Großen und Ganzen ein lachendes und ein weinendes Auge.
Montag, 30.03.2020: Mal ein Erlebnis aus unserem Dorf. Unser Geisterdorf wurde für einen kurzen Moment aus der Stille zum Leben erwckt. Unsere Blaskapelle hatte sich im ganzen Dorf verteilt und spielte ein Prosit der Gemütlichkeit, Kirchenlieder und Hymnen. Wir Einwohner klatschten begeistert Applaus, bis das Dorf wieder in Stille versank.
Viel Bewohner vermissen ihre Angehörigen, leiden an depressiven Verstimmungen aufgrund der Isolation. Es treten vermehrt Stimmungsschwankungen auf, es besteht nicht bei allen Verständnis für die momentane Situation. Es gibt auch Bewohner, die Angst vor dem Virus haben. Viele sind einfach nur traurig.Die Angehörigen haben natürlich Angst um ihre pflegebedürftigen Familienmitglieder, sie zeigen aber auch viel Interesse an der Situation im Altenheim und wie es uns Pflegekräften geht. Teilweise haben die Angehörogen Angst, das die Versorgung nicht ausreicht. Für unsPflegekräfte ist der grundlegende Alltag etwas stressfreier, weniger Besuche durch Ärzte oder Angehörige schaffen Raum. So können wird bewohnerbezogen arbeiten und müssen nicht auf die Wünsche von Angehörigen eingehen (… meine Mutter muss aus dem Bett!). Die von uns zu leistenden Betreuungsaufgaben sind mehr geworden, um der Isolation vorzubeugen. Bewohner- und Eigenschutz ist nicht gewährlwistet, da Hilfsmittel, wie Mundschutz und Schutzkittel fehlen. Trotzdem versuchen wir durch vermehrte Kontrolle und mehr Vorsicht die Hygiene möglichst optimal zu gewähleisten. Für uns Auzsubildenden ist das Lernen eindeutig schwerer, es fehlt einfach der Unterricht. Außerdem haben wir weniger Freizeit, da es mehr Krankheitsfälle gibt. Der Familienzusammenhalt ist eindeutig gestärkt, die Luft ist besser und ich bewege mich auch mehr an der frischen Luft.
Sonntag, 29.03.2020: Ich bin selbst mit weiteren 8 Personen in Quarantäne. Zwei Personen in unserer Einrichtung sind positiv getestet worden. Meine Symptome: Fieber, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Durchfall, Husten, Schnupfen. Wie es den Bewohnern damit geht, kann ich deshalb leider nicht sagen. Ich muss bis zum 07.04. in Quarantäne bleiben. Ich fühle mich abgekapselt von der Umwelt, nicht zur Arbeit zu können, ist schon komisch. Es ist sehr langweilig. Ein kleiner Vorteil: Man kann Zuhause alles auf den Kopf stellen und Dinge erledigen, die im Alltag eher untergehen.
Samstag, 28.03.2020: Wir tragen Schutzmasken, was viele Bewohner verwirrt (sie sehen das Lachen, das wir darunter auf den Lippen haben, nicht mehr), wir waschen und desinfizieren uns vermehrt die Hände, unsere Hände werden rauer, sind beanspruchter. Der herzliche Körperkontakt untereinander ist nicht mehr möglich, jede Umarmung und jede Nähe fehlt. Die Angehörigen dürfen nicht mehr kommen, damit fällt auch eine Entlastung für uns als Pflegepersonal weg und die Bewohner vermissen ihre Lieben. Medizinisches Personal kommt nicht mehr ins Haus, d.h. wir müssen zusätzlich mehr leisten, z.B. Krankengymnastik, Ferndiagnosen mit dem Arzt. Es fällt Personal weg, sei es durch Krankheit oder Verdachtsdiagnosen. Bewohner müssen in Quaratäne, weil sie im Krankenhaus waren, Fieber haben oder Husten.Gerade für unsere dementen Pflegebedürftigen ist nicht nachvollziehbar, warum und weshalb. Dazu kommt dann unsere familiäre Belastung. Kinder, die nicht ausgelastet sind, die auch in dieser Zeit lernen sollen und wollen, Kinder, die ihre Freunde, ihren Opa, ihre Oma, evtl ihren Papa vermissen.Kinder, die das alles null verstehen und dennoch ihr Bestes geben und ihre Mama so geht es geht unterstützen … und sei es nur mit den Worten: „Mama, ich finde toll, was du für die alten Menschen machst!“. Lasr. but not least nagt tief in einem die Frage, wie man den fehlenden Stoff aufholen soll, wie das zu schaffen sein soll, den man in der Schule nicht vermittelt bekommen kann.Jeder von uns versucht in der knapp benessenen Freizeit die Arbeitsblätter abzuarbeiten, die man per Amil bekommen hat, und hofft, es wenigstens im Ansatz richtig verstanden zu haben. In einem Jahr könnte dieser Stoff ja auch prüfungsrelevant sein. Aber trotz alledem zeigt mir diese Zeit auch, dass ich für mich genau die richtige Entscheidung getroffen habe und ich meinen Job und die damit verbundenen Menschen sehr schätze. Ich würde trotz dieser schweren Zeiten meinen Beruf niemals ändern wollen!
Donnerstag, 26.03.2020: Heute nur kurz, aber irgendwie lustig. Eine Klientin (ambulant versorgte Dame) zur Pflegekraft: „Die Frau mit dem Maulkorb kommt“
Mittwoch, 25.03.2020: Heute war mein erster Tag, nachdem ich eine Woche mit Nasennebenhöhlenentzündung zuhause in Selbstisolation verbracht hatte. Ich habe immer noch Schnupfen, Augentränen und ab und zu Husten. Vonärztlicher Seite ist kein Abstrich auf Covid-19 nötig. Doch wie soll ich damit umgehen? Zuhause bleiben?Aber ich werde doch gebraucht! Trotzdem ist der Gedanke da, ich könnte ebventuell Träger dieses Virus sein, obwohl ich eigentlich sicher sein kann, dass ich es nicht habe. Im Haushalt lebt eine immunerkrankte Person, die sofort auf das Virus reagieren würde, die luat Uni-Klinikum zu Risikogruppe 1 gehört. Meine Gedanken drehen sich permanent um dieses Thema. In der Pflegeeinrichtung sieht man den Bewohnern deutlich an, dass sie unter den aktuellen Umständen leiden. Ein Kollege erzählte mir, dass eine Bewohnerin schon fragt: „Gibt es Krieg?“ – So kann man sich vielleicht etwas vorstellen, wie sich die Situation für die Bewohner anfühlt. Anfnags hat man das Corona-Virus noch sehr belächelt und darüber gewitzelt. In den sozialen Medien sah ich ein Bild von Corona-Mona, ein Bild der Mona-Lisa mit Mundschutz und dem gleichnamigen Bier in der Hand. Ja, das war vor ein paar Wochen noch ziemlich lustig, doch heute prägt mich vor allem die Angst vor Covid-19. Nicht um mich, sondern um mein familiäres Umfeld und um die Menschen, die ich betreue – ich könnte Träger des Virus sein. Ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn ich das Virus in die Einrichtung bringen würde! Wie kann ich so etwas verkraften? Was werden die anderen denken? Das sind Gedanken, die man sich so macht.
In der Einrichtung besteht ein komplettes Besuchsverbot, mit Ausnahme bei sterbenden Menschen. Es wird den Bewohnern aus den Medien zur aktuellen Lage des Virus vorgelesen. Sie machen sich allerdings kene bis wenig Sorgen, da sie es aufgrund der Demenz schnell wieder vergessen. Ein Problem ist, dass momentan viele nicht zur Arbeit kommen, weil sie selbst erkrankt sind, Kinder zuhause haben oder Angst haben. Jeder im Team hilft, wo er kann, alle helfen zusammen, um auch mit den vielen Krankmeldungen zurecht zu kommen.
Dienstag, 24.03.2020: „Der unsichtbare Tod“, so höre ich es immer öfter. Auf meiner Arbeit ist seit einer Woche das Personal runter gefahren worden. Mit halber Besetzung stemmen wir Tag für Tag unseren Dienst.Wir tun alles, um unsere tracheostomierten Bewohner zu schützen. Dienstplänme werden umgeschmissen, dafür gibt es Notfallpläne. Angehörige habne Angst um ihre kranken Lieben, sind verzweifelt und weinen am Telefon. Mütter, die ihre Kinder nicht besuchen, geschweige denn in den Armen halten dürfen. Das sind scheiß Gefühle, weil man nicht helfen kann. Nach solch einem 12stündogen Dienst ist schwer, noch zusätzlich für die Ausbildung zu lernen. So viele Gedanken gehen einem durch den Kopf, weil ich auch selber Mutter bin.
Skurriles Erlebnis meiner Tochter vor einem Drogeriemarkt: Am Eingang steht eine Frau und kommt mit einer Packung Klopapier winkend auf sie zu.“ Ich brauche ihre Hilfe, unbedingt! Ich muss für mich und meinen pflegebedürftigen Vater Toilettenpapier kaufen, ich bekomme aber nur eine Packung. Könnten Sie so freundlich sein, mir eine zu besorgen, hier ist das Geld“. Tochter geht rein, kauft das gewünschte „Papier“ und kommt wieder heraus. Lobes- und Dankeshymnen und die wiederholte Aussage, dass das Klopapier wirklich für den Vater sein. Dann gab die Dame noch eine Runde Desinfektionsmittel aus und verschwand.
Sonntag, 22.03.2020: Ich arbeite derzeit im ambulanten Pflegedienst und höre während meiner Dienstzeit unterschiedliche Meinungen der pflegebedürftigen Menschen. Mir ist aufgefallen, dass viele es ziemlich locker sehen. „Ach, Schwester, sie sind die einzige Person, zu der ich Kontakt habe. Ich verlass ja nie das Haus. Daher muss ich keine Angst vor Corona haben.“ Aber gerade das lässt mich nachdenklich werden. Was wäre, wenn genau ich die Gefahr für diese Menschen darstelle? Es ist für mich selbstverständlich, meine Hände zu waschen und zu desinfizieren, auch Ahndschuhe zu tragen….und dennoch besteht die Gefahr, dass ich Trägerin von Covid 19 bin. Dieser Gedanke macht mich echt fertig. Ein Patient hat zu mir gesagt, dass Corona doch ein Segen für die jüngere Bevölkerung sei, da durch diesen Virus alte und kranke Menschen sterben und wir somit weniger Arbeit hätten. Diese Aussage machte mich sprachlos und traurig zugleich. Denken alte Menschen, sie seien eine Last für uns jüngere? Leider habe ich den Eindruck, dass diese Gedanken nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Oft in meiner beruflichen Laufbahn akm mir ein solcher Satz zu Ohren. An dieser Denkweise der Senioren ist nicht der Virus schuld, sondern das Verhalten manch jüngerer Menschen gegenüber unseren Alten……..Was für eine verrückte Zeit es doch ist! Besonders die letzten Tage waren sehr bewegend. Jeden Tag neue Maßnahmen, um die Pandemie zu verlangsamen. „Es ist wie im Krieg“, erzählen und fühlen meine Eltern. Unser Altenheim: Eingangstüre ist verschlossen, Angehörige dürfen ihre schwerkranken Lieben nicht mehr besuchen, Lieferengpässe von Mundschutz und Schutzkittel – das Personal benötigt die dringend! Das gab es noch nie. Ich hoffe einfach, dass bald wieder alles normal sein wird. …..In meiner Einrichtung (andere wohl auch) werden die Tische auseinander gezogen, um während der essenszeit Abstand halten zu können, die Bewohner haben dadurch keine direkte Ansprache mehr. Die Bewohner bekommen weniger Zuwendung, weil kein Besuch mehr kommen darf, auch das Personal hat die Zeit nicht. Verwandte, Bekannte, Nachbarn bleiben aus. Keine Abwechslung im ganzen Haus, es kommt kein Friseur, kein Physiotherpeut, es gibt keine Gruppenbeschäftigungen, nur noch einzeln, viele Bewohner sind einfach auf ihren Zimmern, um Kontakt zu vermeiden. Sie sind allein, isoliert, sind traurig und verwirrt, es ist nichts mehr, wie gewohnt, kein normaler Ablauf mehr. Mir fiel auf, dass Bewohner häufiger stürzen, sie wollen aufstehen, weil sie sich alleine fühlen, wollen das Zimmer verlassen und dann passiert es. Viele Bewohner verstehen nicht, was los ist, sie können die Krankheit, den Infekt nicht einordnen. Für uns als Pflegekräfte ist es schwer unsere Bewohner zu beruhigen, weil das Ende ja auch nicht absehbar ist. Sie essen und trinken weniger, sind ungeduldig und verängstigt. Wir Pflegekräfte haben mehr Laufwege, mehr Stress, dürfe nur einzeln in die Zimmer, um z.B. Essen einzugeben. Sehr oft klingelt das Telefon, Angehörige wollen ihre pflegebedürftigen Väter, Mütter, Opas, Omas sprechen, erkundigen sich, wie es ihnen geht. Es ist wirklich sehr schwierig für uns alle!
Samstag, 21.03.2020: Meine Klienten gehen sehr unterschiedlich mit dieser Situation um. Ein Teil akzeptiert es und kommt damit zurecht,manche verstehen es nicht. Es gibt Angehörige, die geben jetzt die gesamte Pflege an uns im ambulanten Dienst ab. Manche Klienten geben uns zu verstehen, dass wir wegen dem Virus erst mal gar nicht kommen müssen. Unser Team ist schon kräftig aufgearbeitet, da einige MItarbeiter*innen vom dienst freigestellt wurden – sie haben Vorerkrankungen. Für mich persönlich war es echt heftig diese Woche: Ich habe früh Dienst, habe am Abend Dienst. In der Zwischenzeit muss ich mit meiner Tochter deren schulischen Aufgaben erledigen, dann folgen meine Ausbildungsinhalte, z.B. Ausarbeitungen. Dies geht die nächsten Tage auf jeden Fall so weiter. Am Montag ahbe ich dann (wahrscheinlich) endlich frei. Da werde ich mich nur um meine Tochter kümmern und sonst nichts machen – ich brauche unbedingt eine kleine Auszeit!
Freitag, 20.03.2020: Wir Mitarbeiterinnen waren geschockt, als wir in der Zeitung lesen mussten, dass in unserer Einrichtung fünf Pflegekräfte an Covid-19 erkrankt seien. Nichts davon war und ist wahr. Die Panik war natürlich groß. Man Fake News oder einfach schlecht recherchiert geht gar nicht.
Also bei uns im ambulanten Bereich ist die Angst von pflegebdürftigen Menschen, dass wir nicht mehr kommen, so groß, dass uns sogar häusliche Quarantäne verschwiegen wurde. Eine Pflegekraft und gute Kollegin muss deshalb jetzt auch in Quarantäne. Trotz Information und Beratung ist die Unsicherheit sehr groß – und die Angst allein zu bleiben.
Hier der Fall einer Pflegekraft und Mutter. Auch in den Medien wird inzwischen darüber berichtet, dass Menschen mit klaren Symptomen nicht getestet oder in Quarantäne geschikt werden: „Ich bin jetzt gerade mit meine Sohn in Quarantäne. Dieser hatte letzte Woche plötzlich über 40 Fieber, starken Husten und Halsschmerzen – ohne vorherige grippale Anzeichen. Ich habe erst einmal die Symptome behandelt, fiebersenkende Mittel, Hustenlöser etc. Man ist ja nicht sofort Corona-paranoid! Dies half alles nichts, wir mussten zum kassenärztlichen Bereitschaftsdienst – ab ins L-Krankenhaus. Dort wurde uns mitgeteilt, so weiterzumachen, wie bisher, bis Montag warten und dann den Hausarzt kontaktieren. Ich packte meinen völlig entkräfteten Sohn, brachte ihn woieder nach Hause, das Fieber stieg weiter, sobald die Mittel nicht mehr wirkten. Erneuter Hausarztkontakt am Montag, dieser verwies uns ans Gesundheitsamt. Der Amtsarzt rief zurück, ob ich als Mutter einen gelben Urlaubsschein benötige!? Main Sohn könne mit 13 auch mal alleine bleiben und gggf. alleine zum Arzt fahren. Mir fiel dabei fast der Hörer aus der Hand – so fassungslos war ich. Ich erklärte meine Lage und das neben meinem Sohn eine weitere Verantwortung für meine pflegebedürftigen Bewohner bestehe. Laut Hausarzt sollte mein Sohn getestet werden, er wäre mit diesen Symptomen ein Risikopatient. Das Gesundheitsamt verneinte einen Test, da er keinen problemtischen Kontakt gehabt hätte. ich solle Dienstag wieder zum hausarzt gehenMeine Nerven lagen blank. Ich war ohne Lohnfortzahlung vom Dienst freigestellt, kümmerte mich rund um die Uhr um meinen Sohn, hielt mich stundenlang in Warteschlangen der kassenärztlichen Vereinigung und des Hausarztes auf …. und kann alle vorbeugenden Hygienemaßnahmen zu Corona im Schalf aufsagen. Am sechsten Tag nach Beginn des Fiebers erneuter Kontakt zum hausarzt, erneute Anordnung der Testung, wiederholter Anruf beim Gesundheitsamt, dort wieder keiner zuständig , dann 116117… dort endlich durchgestellt … Ein kurzer Lichtblick … nur kurz … denn ich wäre hier falsch … ich solle doch unter der oder der Nummer anrufen! Schlagartig war meine Freundlichkeit vorbei. Den Tränen nahe und fix und fertig rief ich beim Gesundheitsamt an und verlangte sofort Hilfe, sonst würde ich mein Kind ohne Mundschutz zu ihnen bringen und auf den Schreibtisch legen, danach würde ich an doe Öffentlichkeit gehen mit der Aussage, dass meinem Kind, trotz Anordnung des Hausarztes, Hilfe verweigert wurde. Und noch dazu wurde mit unterstellt, ich würde nur auf einen gelben Urlaubsschein aus sein. Sofort wurde der test angeordnet und ich wurde rückwirkend krank geschrieben. Seit dienstag befinden wir uns jetzt in Quarantäne, zum Test war noch keiner da. Ich bin enttäuscht vom Gesundheitssystem und fühle mich allein gelassen. Wie es weitergeht, demnächst wahrscheinlich hier …
Donnerstag, 19.03.2020: Der Arbeitsalltag ist relativ normal, viele Bewohner vermissen ihre Angehörigen, wieder anderen geht es besser, da sie nicht von ihrer Verwandtschaft genervt werden. Wir bekommen E-MAils von Angehörigen, die traurig sind, da sie nicht zu ihren Eltern können.
Im Haus alles clean, kein Verdachtsfall, 90% unserer Bewohner sind an Demenz erkrankt, sie leben bei uns in einer heilen Welt, das Besuchsverbot macht uns bisher nicht zu schaffen. Ich kann sogar sagen, dass es momentan sehr entspannt ist, sozusagen schönes Arbeiten: keine Angehörige, ganz wenig erlaubter Besuch, weniger Arztbesuche, keine MDK-Begutachtungen. Wir können den Focus voll auf unsere Bewohner richten, der Zeitdruck ist weg.
Absolutes Besuchsverbot, Angehörige dürfen nur im Sterbefall oder im Sterbeprozess zu ihren pflegebedürftigen Senioren. Anrufen geht, Kleidung wird am Empfang bei der Verwaltung abgegeben, die Verwaltung teilt dann aus..Die Apotheken rufen an, wir als Pflegekräfte kommen nach vorne, nehmen Medikamente entgegen und geben leere Blister zurück. Die Ärzte dürfen selbstverständlich immer rein. Von Angehörigen gewaschene Kleidung wird in Säcken auf einem extra Tisch gesammelt, beschriftet. Die Bewohner können innerhalb der Einrichtung spazieren gehen. Hygienemaßnahmen: Desinfizieren 4x im Frühdienst, 4x im Spätdienst und 2x im Nachtdienst …ale Türklinken von innen und außen, alle Ahndläufe und jedes Bett nach jeder Grundpflege, die Pflegedienstleitung ist für die Eingangshalle verantwortlich…erste Eindrücke von G., C. und A.